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>>KEMPF Pressespiegel: Das Wienbuch 2008 Wienerlied Seiten 64-72


„In meinem Kopf ist Dialektmusik!“

ES BRUMMT IN DER „NEUEN“ WIENERLIED-SZENE. DAS INTERNATIONALE MUSIC-BIZ LASST GENUG FREIRAUM FÜR VERNACHLÄSSIGTES LOKALKOLORIT, KÜNSTLER BESINNEN SICH WIEDER AUF IHRE KULTURELLEN WURZELN UND SORGEN FÜR AKTUELLEN SCHWUNG.

TEXT ALEXANDER HAIDE / FOTOS REGINE HENDRICH, LUKAS BECK, DIETER BRASCH/BUNTSPECHT, PETER KUBELKA. PRIVAT

Birgit Denk trägt kein Dirndl. Denk rockt im Dialekt. Roman Gregory schöpfte mit Alkbottle im Meidlingerischen, seine Wiener Interpretationen von Dean Martin sind Klassiker. Matthias Kempf kämpft mit dunkelgrauen Stimmungen. „Keine Angst“ hatte Hansi Lang in den 80ern - und entdeckt jetzt die Texte von H. C. Artmann für sich. Roland J. L. Neuwirth ist längst Legende. Vincenz Wizlsperger geht seiner Berufung mit dem Kollegium Kalksburg nach. Oskar Aichinger ist über die Landesgrenzen ein Begriff. Sieben Musiker, sieben Stile – ein Ziel. Geschichten erzählen, die aus dem (Wiener) Leben gegriffen sind. Doch es gibt auch noch Remasuri, Tini Kainrath, die Strottern, Helmut Emersberger und und und …

Tauberln vergiften im Park, die weißen Socken (G’schupften Ferdl, die Reblaus vom armen Sünder, das Schrammelquartett. Nach seiner letzten Blüte, als man Ambros und Fendrich noch dazuzählen konnte, gehörte das (Genre nostalgischen Aufwärmern und schrägen Vögeln wie Horst „Gockala“ Chmela. Seit einigen Jahren nehmen sich aber immer mehr junge Musiker ihrer (Wiener) Identität an. Die Aufbruchstimmung ist unüberhörbar. Sieben Künstler, sieben Antworten zur Vergangenheit, dem Heute und der Zukunft. Sie umreißen ihre Sicht des alten Wienerlieds und die mögliche Wiederauferstehung der urtümlichsten Liedermachertradition. Und der erfolgreiche Macher des „wean hean“-Wienerliedfestivals, Wolfgang Sturm, gibt ebenfalls seinen professionellen Senf dazu!


WAS BEDEUTET DER OMINÖSE. ALLUMFASSENDE BEGRIFF „WIENERLIED“ DENN HEUTE?

Roman Gregory: Dieser Begriff ist bei mir vor allem durch früheste Kindheitserinnerungen an den verstorbenen väterlichen Teil meiner Familie geprägt. Familientreffen fanden bei uns nämlich ausschließlich beim Heurigen statt. Und bei gewissen Liedern nach einer gewissen Anzahl von Vierterln fingen die Alten dann immer zu heulen an, das war irgendwie Tradition. Und obwohl ich nicht unbedingt nahe am Wasser gebaut bin, geht’s mir heute genauso. Das Wienerlied ist für mich der Inbegriff der Melancholie ohne Kitsch.

Matthias Kempf: Die Bezeichnung an sich sagt mir nichts, genauso wir Austropop. Das war mir immer wurscht. Zuerst denke ich, das sind Lieder, die in Wien entstanden sind oder sich um Wien drehen und die schon sehr speziell mit den Eigenarten dieser Stadt oder den hier sesshaften Menschen verbunden sind. Für mich hat Wienerlied weniger mit der Musik zu tun, sondern es geht eher vom Text aus. Das ist heim Wienerlied etwas ganz Spezielles. Was mich sehr interessiert, ist sehr spezielle Geschichten zu erzählen, vielleicht brutale und grausame Geschichten, dass man darüber lachen kann, aber doch etwas hängen bleibt. Das ist für mich im Idealfall ein Wienerlied. Es gibt wahnsinnig viel Kitsch, das interessiert mich überhaupt nicht.

Oskar Aichinger: Ein ganz bestimmter, Sound verursacht durch eine spezifische Instrumentualisierung, ein eigenständiger Stil hervorgerufen durch charakteristische Akkordfortschreitungen und Melodieführungen, ein Schmieren, ein Dehnen und Stauchen, und natürlich ein besonderer Themenkreis: Wien, Wein, Tod.

Birgit Denk: Wienerlied ist etwas, vor dem man großen Respekt hat, weil es viel historische Tradition beinhaltet, etwas Identitätsstiftendes ist und sich über Jahrhunderte entwickelt hat. Ich denke, dass es sich auch durch Protagonisten wie die Familie Schramme! in eine arge Richtung entwickelt hat und für Wien Identität stiftend war und ist. Momentan habe ich den Eindruck, dass die Szene wieder belebt wird durch Menschen, die sich der Tradition und ihrer Erweiterung annehmen. Das ist wichtig. Wenn ich an die 80er Jahre zurückdenke, waren mit Wienerlied meistens irgendwelche Heurigensänger für japanische Touristen gemeint, sonst hat es nicht viel gegeben, was neu war.

Roland Neuwirth: Was in meinem Kopf klingt, habe ich unter anderem mit den Extremschrammeln bereits seit 1978 auf 15 CDs dokumentiert.

Vincenz Wizlsperger: Glücklicherweise klingelt es so gut wie nie in meinem Kopf, ganz gleich, welchen Begriff ich höre.

Hansi Lang: Es klingelt etwas Vergangenes, etwas, das es heute nicht mehr gibt und darum wieder erfunden werden muss. Und auch neu erfunden werden muss.

Wolfgang Sturm: Erste Assoziationen: „wean hean“, Wiener Volksliedwerk, Roland Neuwirth, Karl Hodina – die Musik der Stadt, in der ich lebe –, ein Minderheitenprogramm, Hingabe.

IST „DIALEKT-ROCK“ – SO SCHEUSSLICH DAS WORT AUCH KLINGT – DER MARKE DENK AUCH EINE ART WIENERLIED?

Roman Gregory: Nun, prinzipiell ist nicht alles, was im Dialekt gesungen wird, auch gleich ein Wienerlied. Es kommt natürlich sehr auf den Inhalt und auf die Stimmung an. Im Laufe der Jahre wurde das Wienerlied in verschiedene Richtungen weiterentwickelt und es wurden Lieder geschrieben, die den sogenannten Spirit des Wienerliedes aufgenommen haben. Dazu zählen für mich Sachen von der Birgit, genauso wie von Heli Deinboek, Georg Danzer, Wolfgang Ambros und vielen anderen.

Roland Neuwirth: Nein. Der Dialekt allein macht noch kein Wienerlied. Dazu muss schon die charakteristische Melodieführung vorhanden sein.

Vincenz Wizlsperger: Ja, natürlich!

Matthias Kempf: Ja, klar! Bei ihr kommt das, glaube ich, aus der gleichen Richtung. Sie sagt ja auch, dass sie damit aufgewachsen ist. Ich habe auch in der Kindheit viel davon gehört. Ich hab sehr viel Radio Niederösterreich gehört und den Heinz Conrads im Fernsehen noch erlebt, weil das zu Hause lief. Für mich war das nie bäh oder pfui, ich hab das als äußerst skurril erlebt. Es hatte durchaus eine starke Wirkung und etwas mit Entertainment zu tun. Ich würde Birgit Denk absolut dazuzählen!

Oskar Aichinger: Nein. Ein starres rhythmisches Schema ist so unwienerisch wie nur was.

Birgit Denk: Wienerlied ist es dann, wenn man es sehr breit sieht. Es sind Lieder, die aus einem Wien-Bezug stammen, die Themen behandeln, die mit Wien, aber auch mit dem restlichen Österreich zu tun haben. Wir singen nicht über den Tod – bis auf ein Lied –, wir singen nicht über den Wein oder das Gemütliche. Da sind wir nicht auf dieser Seite. Aber wir singen im Wiener Dialekt, insofern mache ich kein klassisches Wienerlied. Kempf ist mehr Wienerlied als ich, er ist als Person sehr wienerisch, sehr depressiv in der Grundstimmung. Ich kenn ihn sehr gut, deshalb darf ich das sagen, er ist sehr schwer von seinen Themen her, betrachtet alles sehr tief. Außerdem hat Wienerlied für mich sehr viel mit Singer-Songwriter zu tun.

Hansi Lang: Also ihr letztes Album ganz bestimmt. Sie als Niederösterreicherin hat die richtige Haltung.

Wolfgang Sturm: Würde ich nicht dazuzählen.


WÜRDEN SIE SICH ALS WIENERLIED-INTERPRETEN BEZEICHNEN? ODER „GEHÖREN“ SIE WOANDERS HIN?'

Hansi Lang: Als Erstes und eigentlich überhaupt bin ich Wiener und froh, an diesem Punkt angekommen zu sein.

Roman Gregory: Mit meinem Soloprogramm („St. Martin - Gregory singt D(W)ean Martin“) versuche ich ganz bewusst in diese Richtung zu gehen. In der Art, in der ich die Texte ins Wienerische übersetzt hab, und in der Interpretation mit Akkordeon versuche ich seit einiger Zeit, Las Vegas mit Wien zu kreuzen.

Roland Neuwirth: Ich bin nicht nur Interpret, sondern in erster Linie Komponist und Texter. Sonst wäre ja mit der Wienermusik nichts weitergegangen.

Matthias Kempf: Ich würde mich nicht dagegen verwehren …

Oskar Aichinger:
Ja. ich bin im Lauf der Zeit zu einem solchen geworden, durch Zufälle, glückliche und unglückliche Fügungen, ja, es scheint fast unvermeidlich, mit diesem Bazillus infiziert zu werden, wenn man mit halbwegs offenen Ohren in dieser Stadt lebt. Allerdings ist das Wienerlied nur eine Facette meines musikalischen Tuns (und Lassens).

Birgit Denk: Was Denk damit zu tun hat … das Wienerlied passt nicht in die Stadthalle. Es wird an Plätzen gespielt, wo Leben außerhalb von Veranstaltungen stattfindet. Das Wienerlied gehört für mich zum Heurigen, ins Wirtshaus. Es ist selten geworden, dass beim Essen Musik gespielt wird. Alles wird immer größer, starmäßiger und unpersönlicher. Das Wienerlied war immer persönlich, zumindest hat es das Gefühl transportiert. In diese Stimmung passen wir dann doch wieder hinein.

Vincenz Wizlsperger: Zum ersten ja, zum zweiten: in Behandlung.


SIND ALKBOTTLE NICHT AUCH SO ETWAS WIE DIE HARTE VERSION DES WIENERLIEDS?

Roman Gregory: Da meine kulturellen Wurzeln wie erwähnt in Meidlinger Heurigenlokalen genährt wurden, gibt’s da sicher ein paar Parallelen und Anleihen. „Heurigenmusi auf Metal“ war damals eine unserer ersten Eigendefinitionen, mit der wir bei Veranstaltern hausieren gingen. Daraus wurde dann aber Gott sei Dank etwas Eigenständiges. Roland Neuwirth sagte mir einmal, dass er gern so einen Text wie „Geh scheissn“ geschrieben hätte. Das war für mich eine hohe Anerkennung.


WAR DIE ART DES „AUSTROPOP“ EINES HANSI LANG NICHT EINE 80ER-JAHRE-VERSION DES WIENERLIEDS?

Hansi Lang: Nein, finde ich nicht, weil es inhaltlich nicht so war. Es war das, was auch die Stürmer heute macht. Beeinflusst von einer eher deutschen Lebenshaltung.


WO FÄNGT DAS „WIENERLIED“ AN UND WAS GEHÖRT DAZU?

Roman Gregory: Es beginnt wohl beim „Fiakerlied“ und endet bei mir mit „Geh scheissn“.

Roland Neuwirth: Das Unverwechselbare liegt in der eigenen Melodik, nicht so sehr im Klang und der Besetzung. Die Kleidung kann man wechseln. Das Gesicht nicht. Sogar mit einem Synthesizer lässt sich Wienermusik machen, dagegen kann eine Geige völlig unwienerische Musik spielen. Aber am authentischsten sind natürlich unsere Melodien im Schrammelklang.

Oskar Aichinger: Diese Frage bekommt man auch im Jazz oft gestellt. Wer diese wunderbare Tradition (im Fall des Wienerlieds: Schubert, Lanner, Strauß, Maly Nagl, Schmid Hansl, Artmann, Rühm usw.) im Herzen und nicht auf der Zunge trägt und ernsthaft an seiner Musik arbeitet, der gehört dazu. Das ist weniger eine Frage des Stils als eine der Haltung. Eine genauere Schubladisierung überlasse ich gerne den musikalischen Buchhalternaturen (im Jazz: Wynton Marsalis).

Hansi Lang: Na ja, eine Ziehharmonika macht noch kein Wienerlied. Es ist das Lebensgefühl dieser Stadt. Man kann der Welt nur etwas geben, was sie so heute nicht hat – Wien.

Vincenz Wizlsperger: Bei Peter Alexander, das gehört dazu!

Wolfgang Sturm: Bei den lebenden Künstlerinnen und Künstlern fängt dies bei Dudlern von Trude Mally, beim „Herrgott aus Stan“ von Karl Hodina oder dem großen Œuvre von Roland J. L. Neuwirth an und geht bis zu den im Rahmen von „wcan hean“ initiierten Auseinandersetzungen mit dem Wienerlied durch ursprünglich wienerliedfremde Künstler wie Alegre Corrêa, Christian Mühlbacher, Max Nagl, Hannes Löschel, Ossi Aichinger.


WO PASSEN HEUTE WOLFGANG AMBROS (MIT SEINEM MOSER-REMAKE) & CO HIN?

Roman Gregory: Georg Danzer und Wolfgang Ambros sind für mich die wichtigsten Pioniere des modernen Wienerlieds, die es in den 70ern revolutioniert und exportfähig gemacht haben. In Falco hat der Erfolg des Wienerlieds dann in den 80ern absolut gegipfelt.

Roland Neuwirth: Ambros hat schon auch wienerische Melodien gesungen. Sie sind aber nicht so bahnbrechend wie seine Erfindung der Austropop-Welle.

Vincenz Wizlsperger: Ich glaube, die gehören in die Schublade mit der Aufschrift „Austropop“.

Matthias Kempf: Ich hab die Ambros-Version nur auszugsweise gehört und finde den Schritt kommerziell nachvollziehbar für ihn. Das Einzige ist, dass man zum ersten Mal halbwegs Gesangs-Lines hört, was bei Moser gar nicht der Fall ist. Sonst ist es picksüß arrangiert und nicht gerade spannend.

Oskar Aichinger: Das hat doch viel mehr mit Liedermachern, Folk und ähnlichen Dingen zu tun, oder?

Birgit Denk: Ich denke, das Thema wird ihn (Ambros, Anm.) schon interessiert haben. Die beiden besitzen schon charakterliche Gleichheiten, und ich finde das nicht unpassend. Ein Tom Waits und ein Moser und der Ambros – das passt schon ganz gut zusammen. Ich hätte es lustiger gefunden, wenn er das in einer Schrammelbesetzung gemacht hätte und nicht im Konzerthaus mit großem Arrangement. Ich hab’s aber nicht gesehen.

Hansi Lang: Nun, ich muss sagen, dass ich große Hochachtung für die „Großen Drei“, Wolfgang Ambros, Rainhard Fendrich und Georg Danzer habe. Ich glaube, dass die drei eher Österreich repräsentieren als Wien. Das macht am ehesten noch der Danzer, der überhaupt ein großer Künstler war.

Wolfgang Sturm: Wolfgang Ambros hat Bedeutendes für die österreichische Szene geleistet (das tut er immer noch) und gelegentlich könnte man seine Musik auch als eine Art des Wienerliedes betrachten. Aber wie wichtig sind schon Zuordnungen, wenn Musik und Texte begeistern?


UND DIE „ALTEN BEWAHRER“ WIE KARL HODINA ODER HORST CHMELA? SIND SIE HEUTE NOCH ZUR WIENERLIEDSZENE ZU ZÄHLEN?

Roman Gregory: Karl Hodina war einer meiner ersten Einflüsse auf diesem Gebiet. Sowohl mein Vater als auch mein Großvater waren große Fans von ihm. Er ist eine der letzten lebenden Legenden in diesem Genre. Mit Horst Chmela konnte ich weniger anfangen, den würde ich eher in die wienerliedtümliche Abteilung stecken, ohne dass es abwertend klingt. Beide waren auch sicher eine Art Wegbereiter für die spätere Austropop-Welle.

Roland Neuwirth: Hodina ist nicht nur ein Bewahrer. Er geht auch weiter. Neben wirklichen Wienerliedern wie „Herrgott aus Stan“ ist er mit seinen jazzigen Chansons, z. B. „I liaßert Kirschen für di wachsen ohne Kern“ bekannt geworden. Das ist wieder eine andere Richtung. Und er schreibt großartige Tanze.

Matthias Kempf: Chmela hat hunderte Lieder geschrieben, für mich geht das weniger ins Wienerlied, obwohl es da einige Klassiker gibt, die sofort mit dem Wienerlied verbunden werden. Für mich ist das Schlager. Den Hodina, von dem ich sehr wenig kenn, seh ich als Pfleger und Fortführer des traditionellen Wienerlieds. Der Hodina interessiert mich mehr als der Chmela. Die Sprache von einem Horst Chmela hab ich nie verstanden und das immer als zutiefst unwienerisch empfunden. Peter Cornelius hat in den 70er und 80ern an die zehn große Hits gehabt und ich weiß bis heute nicht, welche Sprache er singt. Eine Mischung aus Wienerisch und Hochdeutsch. Bei Fendrich und Ambros hat sich die Sprache auch komplett verändert. Bei beiden kann man das klar Mitte der 80er hören. Da ist eine Sinnlichkeit der Sprache verloren gegangen, weil für mich der Text, das Wort am Anfang ist.

Oskar Aichinger: „Bewahrer“ und „Revoluzzer“ sind wichtige Antipoden. Der eine ohne den anderen undenkbar, ja sinnlos. In diesem Kraftfeld spielt sich Entwicklung ab.

Birgit Denk: Ich denke, das sind Geschichten, die ganz wichtig waren, das Wienerlied aus den Schwarzweißfilmen des Hans Moser in die Jetztzeit herüberzuziehen. Wenn man die ersten Platten von Ambros nimmt wie „I drah zua“, dann sind das extreme Wienerlied-Geschichten. Auch der Chmela – die haben die ganz alten Sachen ausgegraben und sind in einer Tradition verbunden. Das ist ganz wichtig! Mozart wird auch noch immer in der Oper gespielt, warum soll man da kein Wienerlied beim Heurigen spielen? Es ist wichtig, diese Kultur weiter zu retten, egal ob sie noch aktuell ist oder nicht. Es ist wichtig, dass es diese Bewahrer gibt. Man kann ja ein Wienerlied schlecht ins Museum stellen, das gehört ja gespielt!

Hansi Lang: Das sind die Urväter des Wienerlieds. Sie singen über das alte Wien, die Denk, der Gregory, ich und viele andere versuchen das heutige Selbstbewusstsein in dieser Stadt zu beschreiben.

Wolfgang Sturm: Ich würde Karl Hodina nicht unbedingt als reinen Bewahrer sehen. Er ist so was wie der Doyen des Wienerliedes; seine musikalische Bandbreite reicht weit darüber hinaus. Er hat mit großen Jazzmusikern auf der ganzen Welt gespielt und steckt auch seine bekannten Wienerlieder immer wieder in modernes musikalisches Gewand.


IST DAS WIENERLIED NICHT EIN „GEOGRAFISCHER ERFOLGS-HEMMER“ FÜR INTERPRETEN?

Matthias Kempf: Ich habe bei dem Album „Leb los“ nicht darüber nachgedacht, ich hatte keine andere Wahl, als solche Lieder zu schreiben …

Oskar Aichinger: Sicher gibt es eine Art Wienerliedgrenze, analog dem Weißwurstäquator. Aber wo verläuft die? Entlang der Enns, entlang des Inn? Am Semmering, am Arlberg? Keine Ahnung. Spielt aber keine Rolle. Jenseits der Grenze ist es dann sowieso „Ethno“. Umso besser.

Birgit Denk: Für mich war der kommerzielle Erfolg nicht die Frage. Ich kann Texte nur im Wiener Dialekt schreiben und darbieten, mit einer niederösterreichischen Färbung. Wenn ich eine Geschichte erzählen will, muss das im Dialekt sein. Ich habe  nie damit geliebäugelt, dass ich in Berlin ein Weltstar werden will, sondern es geht darum, dass ich im Grätzel bekannt bin. Dieses  Grätzelflair ist mir wichtig, wenn ich mich wo daheim fühlen will. Und daham ist: Ich weiß, wie es ausschaut, ich kenn die Leute, die da wohnen, und ich verbinde eine Musik damit. Und die mach ich halt selber, wenn sie nicht da ist, dass war die Hauptintention. Es hat sich mit der Zeit ergeben, dass ich nicht auf die Themen Tod. Sterben, „alles ist so oasch“ fokussiere. Ich bin eine Frau und l971 geboren, und nicht 1945. Deshalb habe ich andere Themen als saufen, fortgehen und traurig sein.

Wolfgang Sturm: Erfolg muss in Relation zu der zu messenden Dimension gesehen werden – darum würde ich nicht unbedingt den Begriff „Hemmer“ verwenden, da das Wienerlied auch überregional Anerkennung findet und sicherlich nicht zuletzt aufgrund von Veranstaltungen wie „wean hean“ sich eines größeren Bekanntheitsgrades erfreut. Den Status von Fado oder Flamenco hat es aber leider noch nicht erreicht. Aber Erfolg ist‚ stets auch eine Frage des Selbstbewusstseins, mit der eine Stadt ihre eigene Musik anbietet und vermarktet: Wie wichtig sind uns die eigenen Wurzeln? Was will eine Stadt dafür investieren?


GIBT ES DIE „NEUE“ WIENERLIEDSZENE, VON DER IMMER WIEDER DIE REDE IST?

Roman Gregory: Sie wird zwar von einigen wenigen am Leben erhalten, doch ist sie langsam am Aussterben. Die gesamte Dialektszene befindet sich eigentlich seit Jahren in einem permanenten Rückzugsgefecht. Seit Mitte der 90er wird Dialektmusik so gut wie nicht mehr im Radio und TV gespielt und sukzessive aus allen Medien geekelt. Die momentane Musiklandschaft ist  ja inzwischen eindeutig von der Zwangsglobalisierung geprägt. Neunzig Prozent der Bands singen nur mehr auf Hochdeutsch mit Hamburger Akzent, weil hier die eigene Sprachkultur scheinbar nicht mehr akzeptiert wird.

Roland Neuwirth: Es gibt eine – in ihrer Vielfältigkeit sogar noch nie da gewesene – neue Szene. Gruppen wie das Kollegium Kalksburg bis zum attensam quartett zeigen das. Und wir als Extremschrammeln sind nicht unstolz darauf, dieser Szene voranzugehen. Es wäre schön, wenn es auch eine neue Szene der wienerischen Sprache gäbe, die leider vor die Hunde geht. Ich halte es für eine echte Katastrophe, dass die jungen Wiener nur noch piefkenesisch reden.

Vincenz Wizlsperger: Oh ja, die gibt es. Die Protagonistinnen und Protagonisten sind zumeist sehr jung, dynamisch und erfolgsorientiert und sind zumeist Musikerinnen und Musiker, oft aber auch Sängerinnen und Sänger. Wer? Ich arbeite an einer Liste ...

Matthias Kempf: Momentan spür ich schon, dass es da eine kleine Szene gibt. Birgit Denk kenne ich seit sechs Jahren. Wir schätzen uns sehr, jeder mag, was der andere macht. Wir wissen auch, dass, obwohl wir auf der gleichen Insel sind, sie hinter dem Vulkan und ich davor bin – oder umgekehrt. Auch spannend sind Remasuri, die kommen sehr aus der Wiener Wirtshausecke. Wir tun viel gemeinsam, spielen oft miteinander, die einzelnen Musiker kooperieren, da fließt ein Text von dort rüber und das macht mir wahnsinnig viel Spaß. Und das habe ich mir seit langer Zeit gewünscht. Man kann schon sagen, dass es so etwas wie eine Aufbruchstimmung gibt!

Oskar Aichinger: Das denke ich doch. Das Festival „wean hean“ ist doch ein schlagender Beweis dafür und selber auch ein wichtiger Motor für Innovation in diesem Genre. Das würde nicht ohne Resonanz im Publikum funktionieren, und da sprechen die Besucherzahlen eine deutliche Sprache. Diese Musik ist im Heute angekommen und wird sich weiterentwickeln, wie alles andere auch.

Birgit Denk: Ich glaube, es scharen sich grad viele Leute um den Emersberger Helmerl und die Tini Kainrath. Die Windhager Doris hat sich sehr selbstständig gemacht, Roland Neuwirth macht Wienerlied – es blüht wieder ein bissl auf. Die ganze Pawlatschen-Partie nimmt sich des traditionellen Wienerlieds an und modernisiert es. Das finde ich ganz spannend.

Hansi Lang: Das hoffe ich aus ganzem Herzen, obwohl so etwas heute nicht mehr nötig ist.

Wolfgang Sturm: Als neu würde ich die nicht unbedingt bezeichnen. Ein Aufschwung hat schon vor gut zehn Jahren stattgefunden mit Gruppen wie Kollegium Kalksburg, Neue Wiener Concert Schrammeln, die Strottern, 16er Buam, Familie Pischinger, attensam quartett, Agens Palmisano, Robert Kolar etc. Es gibt aber stets neue Interpreten (siehe auch unsere gelegentlich stattfindende Nachwuchsveranstaltung im Rahmen von „wean hean“), die sich diesem Genre widmen.

Das Wien Buch 2008
© 2007 echomedia verlag ges.m.b.H.
ISBN: 978-3-901-761-80-5
www.echo.at/wienbuch…

Artikel als PDF (2 Mb)

OSKAR AICHINGER

OSKAR AICHINGER
Seit 1990 widmet sich der 51-jährige Pianist, Sänger und Komponist einem „Umfeld aus Jazz und neuer MUSIK“ und tritt mit den unterschiedlichsten Ensembles auf. Davor war er Korrepetitor an der Wiener Staatsoper
www.oskaraichinger.at

HANSI LANG

HANSI LANG
Er ist in der „Bucht von Wien“ angekommen: Nach den Höhenflügen der 80er hat der Sänger und Schauspieler unter anderem Texte von H. C. Artmann für sich entdeckt, ein Longplayer mit Wienerliedern ist in Vorbereitung
www.hansilang.com

BIRGIT DENK

BIRGIT DENK
„Ausg‘steckt in Rappoltenkirchen“ – schon der Titel ihres aktuellen Albums wird jenseits des Weißwurstäquators kaum mehr verstanden. Dennoch: „In meinem Kopf ist Dialektmusik“ ist das Credo des „weiblichen Ostbahn-Kurti“ aus Schwechat
www.bdenk.at

ROLAND J. L. NEUWIRTH

ROLAND J. L. NEUWIRTH
Bequem war er nie, weder in Texten noch in seiner (Musik-)Philosophie. Gemeinsam mit den Extremschrammeln hat er sich seit drei Jahrzehnten dem Wienerlied und den Gstanzeln verschrieben, jetzt hat er einen „Stern“ im Wiener Gasometer
www.extremschrammeln.at

ROMAN GREGORY

ROMAN GREGORY
Er tanzt auf vielen Kirtagen: Mit Alkbottle entsteht ein Comeback-Album fürs kommende Jahr, mit seinen Interpretationen von Dean-Martin-Klassikern ist er „Talk of Town“. Derzeit spielt aber die kleine Tochter des Sängers die Hauptrolle
www.romangregory.com

MATTHIAS KEMPF

MATTHIAS KEMPF
Beinahe kann man ihm die dunkelgraue, nachdenkliche Stimmung ansehen: Trotz seiner Jugend ist Kempf ein Vertreter der depressiven Seite des neuen Wienerlieds, in seinen Stücken will er .Geschichten aus der Stadt erzählen“
www.kempf.cc

WOLFGANG STURM

WOLFGANG STURM
Er kennt sie alle, bringt den .Herrgott aus Sta“ mit Extremschrammler Neuwirth und dem jungen Quartett Netnakisum zusammen. Zum siebenten Mal veranstaltet er nun „wean hean“
www.weanhean.at

W. V. WIZLSPERGER

W. V. WIZLSPERGER
Der Dichter, Sänger, Kontrabassist und Tubaspieler kann sich gemeinsam mit seinen Kollegen Paul Skrepek jr. und Heinz Ditsch heuer über das 10-Jahre-Jubiläum des „Umrührens in musikalischen Klischees“ mit dem Trio Kollegium Kalksburg freuen
www.kollegiumkalksburg.at


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